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A. Schriften zur Entwicklung des Kaiserns Der Forscher Kopp hat eine wissenschaftliche Untersuchung über das Chaisrä veröffentlicht, von dem Sie hier den Abschnitt über das Chaisrä wieder finden Geschichte des Kaiserns 1968 (Peter E. Kopp) Die Untersuchung von Von Leyden gibt Auskunft über die europaweite Verbreitung des Kaiserns resp. Karnöffelns: Geschichte des Kaiserns in Nidwalden. wissenschaftliche Untersuchung 1978 (Von Leyden) Verbreitung und Praxis des Kaiserns. Forschungen 2005 (Leon Schnyder, Kaiser-Könner, Kriens) Eine genaue Spielanleitung des Kaiserns in der Schweiz, inkl. Tipps von 1841 (Hermann von Liebenau) Weitere interessante Dokumente zu Trionfi, Karnöffel und Kaisern, zur Lust am Spiel und zum Teufel: Artikel zur Geschichte des Kaiserns, TA 6.9.2012 Karnöffel-Spiel (Kaisern in Deutschland) von Jürgen Ludwig ! Kaisern-Nidwaldner-Museum Kaisern-Geschichte-Schweiz.Hist.Museum Kartenspiel im Mittelalter von Bern 1367 (Engler) Kaisern (Karnöffel) auf dem Ratgeb-Altar 1519 Auf Internet: Mittelalterliche Spielset neu gemacht oder Fünf-Stich-Spiele Spielkarten allgemein Frühe Kartenspiele Kartenset des Tarot Nicht-Italienische Kartensets Leckerbissen: Weltweit ältestes erhaltenes Kartenset 1430 Matrei: Kartenspiele in Europa Marianne Rumpf: Entwicklung Spielkarten in CH Imperatori, trionfi und Karnöffel (Kaisern) Zu vielen Varianten der Kartenspiele Trionfi-Spiele (Italien, Frankreich) 15. Jhd. Sehr guter Überblick über Trionfi-Spiele Trionfi-Spiele in Italien hatten 5 Farben. Eine Farbe davon war Dauerstecher. Triomphe-Spiele in Frankreich hatten 4 Farben. Eine der Farben wurde jeweils als Stecher gewählt. Allgemein: Lust auf Spiel Von der Lust zu spielen zum „Teuflischen“ im Kaisern Dito in A-4-Format Kaisern: das Spiel des Anti-Untertanen Auferstehung Jesu und seine Symbolik des Kaiserns
Chaisrä auf Lungerer Art
Vorläufer des Kaiserns
Faszination der Karten
Geschichte des Kaiserns
Die Lust am Kaisern
Eigenerfahrung zählt Neues Denken liegt in der Luft. Protest wird objektiv & manifest Subjektivität kommt in Mode Perspektive kommt auf Mit sanftem EInfluss Gewalt überwinden Universalgenie: Alles hängt zusammen. Stets Neues erforschen. Kriege werden mit Schulden-machen geführt. Die Kosten zahlte das Volk. Karten-, Würfel- & Brettspiele kamen auf Erfindung des Trumpfs Spiele erleichtern das schwere Los des Alltags List findet im Spiel erste kulturelle Anerkennung. Im Krieg war sie als Hinterlist akzeptiert. Aber listkundliches Vorgehen wird im Westen erst Ende des 20. Jahrhunderts ein Thema: siehe 1992
Das Nichtsein als Basis der höheren Niveau des erfahrenen Lebens. Kartenspiel: Das SPIEL als freie Entfaltung von Phantasie, Symbolen Kartenspiel = Umdeutung der Werte, der Deutung von Rollen und der Machtver- hältnisse Mit Verboten wird versucht, das alte Paradigma (feste Werte für alle und dies hierarchisch kontrolliert) zu schützen. Das Entstehen der Welt aus kreativer Ursprünglichkeit (Samen). Tarot = Magier, Narr und andere Figuren zählen mehr als bloss feste, resp. alltäg- liche Figuren und Rollen. Kaiserspiel kommt auf. Die List (im Trionfi-Spiel) macht Furore Kartenspiele als teures Kulturgut Selbständige Trumpfkarten (5. Farbe). Die eigenständige Trumpf- Funktion wird erfunden. Das Kaiserspiel macht eine Riesenentwicklung während des ganzen 15. Jahrhun- derts. Das Spiel wird ernst genom- men - auch vom Richter Bruder Klaus: Frieden durch gewaltlose Worte Nicht nur die bestehende Welt wird neu gedeutet, es wird auch eine „neue Welt“ entdeckt: Das Unten wird Oben. Feste Werte wandeln sich Politik als Sammlung von hinterlistigen Handlungen Die List des Umsturzes gibt ein gutes Bild für die christliche Auferstehung von den Toten zum höheren Leben listvolles Kaisern - eine Art Untreue, weil die festen Regeln ausgehebelt werden. untrew“ = untreu; dem man nicht trauen kann. Listkunde wird endlich im Westen publik Vorderlist (Zuvorkommen- heit) ist der Ruf des 21. Jahrhunderts
Entwicklung des Kaiserspiels B. Die aufmüpfige Art des Chaisrä Entstehungs-Geschichte des Chaisrä: Das Spiel mit Karten wird in genereller Form 1367 zum ersten Mal in Bern erwähnt (s. unten unter D.). Die Zeit des Mittelalters war eine Periode der harten Arbeit und der geschlossenen Gesellschaftssysteme. Es brauchte höchste Disziplin, um in diesem harten Leben bestehen zu können. Das spielerische Element war im damaligen Verständnis für die disziplinierte Arbeit und die Einhaltung der allgemeinen Werte gefährlich. Auch Tanz und Lustbarkeiten suchte man mit strengen Regelungen im Griff zu behalten. So war auch das Spiel mit Karten etwas, das der Regelung bedurfte, wie eben im 14. Jahrhundert in Bern. Heute wissen wir, dass Spielen eine enorm verbindende und kreative Kraft enthält. Wir können und mögen uns das Spielen in allen Facetten nicht mehr wegdenken. Auch weil Spielen uns hilft zu regenerieren, gerade wenn wir bei strengster Arbeit engagiert sind. Das Kayserspiel im speziellen kommt im 15. Jahrhundert so richtig auf Touren, also zur Zeit von Bruder Klaus, der von 1417-1487 lebte. Wann die Regeln des Kaiserns zum ersten mal aufgestellt wurden, wissen wir nicht. Die Regeln werden in spielerischer Weise entstanden sein und sich in kurzer Zeit ausdifferenziert haben. Interessanter Weise ist das Kaiserspiel in seiner aufmüpfigen Art ein Vorbote der anbrechen den aufmüpfigen Bewegung von Reformation und Aufklärung. Es enthält nämlich einen symbo- lischen Beginn des Umsturzes aller sozialen Verhältnisse. Wer oben sitzt, kann von den „Untern“ ausgestochen werden, wie es dann Ende des 18. Jahrhunderts endlich politische Wirklichkeit wurde, was im 19. Jahrhunderte dann zu den vielen Klassenkämpfen führte. Dieser Umsturz ist heute im 21. Jahrhundert noch nicht abgeschlossen, weil die „Besitzenden“ und „Mächtigen“ (Geldadel, Finanzindustrie, Lobbyisten, soziale Medien) einen neuen Typus „von oben“ bilden. C. Die Zeit, als Kaisern entstand: vom festen zum humanistischen Weltbild Die Entwicklung des Spiels ist Teil einer grossen kulturellen Entwicklungsgeschichte.Im Hochmittelalter entstanden die wunderbaren gotischen Kathedralen. Sie waren getragen von der Sehnsucht und der Ausrichtung nach einem umfassenden heiligen Ganzheit. Thomas von Aquin war DER grosse Theologe, Philosoph und Systematiker. Er lebte von 1224-1272. Unmittelbar darauf, also unmittelbar auf der Höhe dieser Zeit, begann die Entwicklung der individuellen Seite unserer Kultur. 1325 wurde die grosse Mystikerin Margareta Porete 1325 auf dem Marktplatz in Rouen verbrannt. Ihre Erfahrung der wunderbaren Grossartigkeit von Welt, die sie in mystischen Erlebnissen machen durfte, war nicht zulässig. Erstens war sie eine Frau, zweitens nicht von hohem, offiziell anerkannten Stande, drittens nicht geschützt durch ein Kloster und viertens beherrschte sie keine der sogenannten „hohen Künste “. Sowas von freier Eigenentwicklung durfte nicht als Teil der Kultur gelten. Auch dass persönliche Erfahrungen (einer Frau!) grundlegender seien als hierarchisch-abstrakte Überlegungen der Theoretiker, und prägender als die Entscheide jener, die das öffentliche Sagen haben, das ging nicht an. Vor allem nicht in den grundlegenden -- damals religiösen -- Fragen. Doch die Zeit der hierarchischen Einseitigkeit begann zu verblühen. Margareta Porete (1250/1260 - 1310) war die erste Person in Europa, welche die eigene, innere Erfahrung für wichtiger befand, als das äussere Tun und Wahrnehmen. Sie schrieb auf französisch und als „Laie“ in Fragen, welche die direkte existentiale Erfahrung in den Vordergrund stellte. Sie tat dies im spirituellen Kontext. Dadurch fühlten sich die religiös-theologischen Kory- phäen, die „korrekter“ Weise auf lateinisch dachten, attackiert. Petrarca lebte von 1304 - 1374 und war ein Begründer der Humanismus, indem auch er die innere Erfahrung als Bestandteil des menschlichen Wesens ansah. Das bildete einen Eckstein für das neue, weltliche Denken. Im Jahre 1517 stellt Luther seine 97 Thesen vor, zur Verbesserung des spirituellen Klimas gegen Ablasshandel und gegen die monopolistische Vereinnahmung des Christentums durch die zentralistische Kirche. Er insistierte auf dem Gewissen als seiner leitenden Instanz. Drei Generationen nach Porete insistiert Margery Kempe (1373-1438 .pdf) in England auf der Innerlichkeit des persönlichen Erlebens. Michel de Montaigne wird mehr als 200 Jahre nach Porete und Petrarca im Frankreich des 16. Jahrhunderts (1533-1592) den Ansatz der inneren Erfahrung ausführlich erweitern. René Descartes wird im 17. Jhd. (1596 - 1650) den Satz prägen „Ich denke, also bin ich“, und das Ich damit definitiv als zentrales Element der neuen und auch der heutigen Zeit etablieren. Petrarca bildet auch zusammen mit Dante Alighieri und Boccaccio das Gründertrio der italienischen Literatur. Das Monopol der lateinischen Sprache wurde nun auch in Italien durchbro- chen. Filippo Brunelleschi (1377-1446) war Maler in Florenz und entdeckte die Perspektive. Die Welt bestand aus der Sicht-auf-die-Welt. Leon Batista Alberti, Literat und Architekt, lebte von 1404-1472. Er beschrieb die theoretischen Grundlagen der Perspektive und wie die Dreidimensionalität methodisch korrekt in zwei Dimensionen dargestellt werden kann. Bruder Klaus, Bauer, Familienmensch und Mystiker lebte von 1417-1487. Er stiftete durch seine Präsenz und die Authentizität seiner schlichten Worte auf der Tagsatzung in Stans 1481 Frieden. Lenoardo da Vinci, das Universalgenie, lebte und wirkte von 1452-1519. Wie Margareta Porete forschte er immer weiter. Während Porete ihre Forschungen im existentialen Erfahrungsbereich ansetzte, tat es Leonardo da Vinci im machbaren, darstellbaren und konstruierbaren Bereich der Aussenwelt. Im Im Jahre 1492 wurde Amerika entdeckt. Der europäische Kolonialismus nahm seinen ungeheuer respektlosen und zerstörerischen Anfang. Michelangelo lebte von 1475-1546. Die europäischen Fürsten hatten seit dem 14. Jahrhundert begonnen, mit fremden Söldnern ihre Kriege auszufechten. Die Kriege wurden mit fremden Geldern finanziert, also mit Schulden. Das Finanzwesen blühte. Die Finanzier-Familien Fugger stieg seit der Mitte des 15. Jahrhunderts auf und gelangte im 16. Jahrhundert zur Weltgeltung in der damaligen europäischen Welt, die als Gesamtwelt galt. Die Welt war in einem radikalen Umbruch. Je härter die Bedingungen für die einfachen Menschen waren, und je ungerechter die Zustände erschienen, desto mehr begann das Verhältnis von Oben und Unten sich selbst infrage zu stellen. Wohl auch deshalb begann, was dann begann. Im 14. und 15. Jahrhundert kamen die verschiedensten Karten-, Würfel- und Brettspiele auf. Begonnen hatte die spielerische Gestaltung der Welt mit dem Schach, das seit dem 13. Jahrhundert aus der arabischen Welt nach Europa kam. Das Schach aber imitierte die etablierten Verhältnisse: König, Dame, Türme, Krieger, Bauern. Bauern waren die unflexiblen Figuren, weil sie nur vorwärts ziehen konnten. Mit dem Aufkommen der Kartenspiele im 14. Jahrhundert aber wurden, oh Schreck, die geltenden Verhältnisse von Oben und Unten, sowie die Machtverteilungen und die Gewinnstrategien in Frage gestellt, mehr noch: sie wurden umgestürzt. Allerdings erst im Kartenspiel des Kaiserns (Karnöffel), doch dieser Wandel im Denken ist ein Vorbote zu den künftigen Revolutionen wie Reformation, Aufklärung bis schliesslich zur Französischen Revolution und zur Einführung der Demokratie. Der Trumpf-Bauer wurde zur definitiv stärksten Trumpfkarte, zur Siegeskarte. Das war ein symbolischer Sieg der Niedrigen (Bauern) über die „Obern“ und „Könige“. Es begannen die Kartenspiele, Würfelspiele und andere Brettspiele mit ihrem Höhenzug. Auch die befreienden, kreativen und spielerischen Tätigkeiten wie Sport, Tanz und Musik nahmen zu. All diese Aktivitäten brachten Lust, Schwung und Freude in den Alltag. Es war klar, dass die Vertreter der etablierten Machtverhältnisse das nicht dulden wollten. Dies war nicht so, weil die machthabenden Menschen böse oder schlecht waren. Macht und Kreativität, Monopole und Spiele vertragen sich einfach und schlicht nicht. Deshalb gab es vom 14. bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts immer wieder Spielverbote. Und genau in dieser Zeit kamen die umstürzlerischen Spiele auf: die Trionfi-Spiele und als Folge davon das Kayser-Spiel. Der Trumpf, der sticht, kommt ins Spiel, und das listige Vorgehen ist gefragt. Das vermag die fixierten Verhältnisse von oben- unten zu destabilisieren und hat das Potential, ein neues Verständnis von sich und seiner Mitwelt zu schaffen. Zu Beginn erst symbolisch, heute auch ganz real und bis in die Lebensführung des Einzelnen und der politischen Systeme hinein. D. Zur Frühgeschichte des Chaisrä >weitere Chronologie Ab 12. Jahrhundert sind Spielkarten im ostasiatischen Raum nachweisbar. 1272 Tod von Thomas von Aquin, der grosse italienische Systematiker der damaligen kulturellen Welt. Die feste und klare Ordnung ist gefragt. Eine eindeutige Orientierung in der von Widrigkeiten und Machtkämpfen geschüttelten Welt. Mit klaren ethischen und religiösen Leitprinzipien. Um 1300 herum sind Spielkarten im arabischen Raum bekannt. Von dort kamen sie nach Europa. Spielen heisst eine Leichtigkeit und überraschende Wendung in die Welt bringen. Sich nicht nur von Notwendigkeiten leiten lassen. 1310 Verbrennung der Erfahrungs-Mystikerin Margareta Porete (*1250/1260) auf dem Place de Grève (heute Place de l‘Hôtel de Ville). Ihre Thesen lauten: dass wahre Freiheit nicht beur- teilt, geschweige denn verurteilt werden kann, dass Vitalität über alle Massstäbe hinausgeht, dass Tugend auf dieser Ebene dann nicht mehr zählt, und dass das „Vernichtigt-sein“ mehr Wirklichkeit schafft, als das „Sein“. Porete hat die Wucht des Nichtseins verfochten, und dass dabei das anscheinend Hohe (Status, Macht, Institution der Kirche) eigentlich niedrig ist, wenn es auf die gelebte, erfahrene Existenz ankommt. Deswegen wurde sie von den „Obern“ verbrannt. (siehe Margareta Porete 3.1.) 1367 wird das Kartenspiel zum ersten Mal im Berner Spielverbot erwähnt. Der Berner Rat verbietet das Karten-, Würfel- und Brettspiel. (s. pdf aus Museum Schaffhausen). Da ist aber noch nicht die Rede vom Keiserspil. Die Berner Reglementierung betraf nicht nur das Kartenspiel, sondern auch das Brett- und Würfelspiel. „Die drei Spiele werden auch in den Quellen meist gemeinsam genannt. Karten-, Würfel- und Brettspiele gehörten in Bern wie andere Spiele zu den Beschäftigungen in arbeitsfreien Zeiten. Dazu zählten auch Sport, Tanz und Musik“ (Kartenspiel-Mittelalter, S. 4). Welche Kartenspiele das genau waren, wissen wir nicht. Warum in Bern? Bern lag am Handelsweg, der von Norden (Elsass, Deutschland) nach Genf-Lyon und ins Wallis über den grossen St. Bernhard nach Oberitalien führte, und zurück. 1374 stirbt in Italien Petrarca, der zweite Humanist (nach Porete). Individuelle Erfahrung zählt. Nicht nur die sachliche Welt gehört zur Welt,sondern auch das innere, persönliche Erleben. 1377 Das Kartenspiel wird durch den Dominikaner-Prediger Johannes von Rheinfelden erwähnt. Johannes von Rheinfelden, auch Johannes Teuto, Johannes von Basel genannt (ca. *1340 in Freiburg im Breisgau -- ?), war ein Dominikaner und Schriftsteller. Er verfasste die älteste in Europa bekannte Beschreibung von Spielkarten. Johannes sagte, dass er nicht wisse, woher das Kartenspiel stamme. 1387 Schaffhausen verbietet Kartenspiele (s. pdf des Museums Schaffhausen) - ein pdf mit Abbildungen alter Karten, oder > direkt .pdf) Die Verbote der Spielkarten erstreckten sich über ganz Europa: Hier eine Aufstellung bis ins Jahr 1404: 1369 in Paris (Frankreich), 1377 in Florenz (Italien) und Regensburg (Deutschland), 1379 in St. Gallen (Schweiz), Konstanz (Deutschland) und Viterbo (Italien),1380 in Barcelona (Spanien) und Perpignan Frankreich, 1381 in Marseille (Frankreich), 1382 in Barcelona (Spanien) und Lille (Frankreich), 1384 in Valencia (Spanien) und Nürnberg (Deutschland), 1387 in Castilien (Spanien) und Schaffhausen (Schweiz), 1391 und 1396 in Santa Maria a Monte (Italien), 1396 und 1397 in Paris, 1397 in Ulm, 1398 in San Pietro (Italien), 1404 in Langres (Frankreich). 1410 Brunelleschi entdeckt für die Malerei die Perspektive. Die Welt ist die Sicht-auf-die-Welt. 1414-1418 Das Konzil von Konstanz (5.11.14 - 22.4.18) war ein internationales Treffen, bei dem höchstwahrscheinlich das Interesse an italienischen Kartenspielen stark verbreitet wurde. Damals waren die Trionfi-Spiele (die im deutschen Sprachraum „Karnöffel-Spiel“ oder „Kaisern“ genannt wurden), sicher schon in regem Umlauf. (Zum Nachweis s. die Jahre 1419, 1423 und 1426). 1417 wurde in einer Klosterbibliothek im Umfeld von Konstanz das Manuskript von Lukrez entdeckt (de rerum natura - Über die Natur der Dinge). Der Entdecker war der Humanist Poggio Bracciolini. Lukrez (99/94 - 55/53 v. Chr.) vertrat die Auffassung, dass die Welt aus Ursprpünglichkeit (semina - Samen) sich entwickelt hatte. Für die Humanisten war er ein bedeutender Anreger, um die Welt neu zu deuten. Er war auch ein Vorläufer der Evolutionstheorie. (>Artikel 2017 zu Lukrez und seinen „semina“, Samen) (>Webseite zu Lukrez) < vor 1419 Erfindung des tarocco-Spiels. Der Prinz Francesco Antelminelli Castracani Fibbia (1360-1419) in Pisa, hält auf seinem Portrait ein Tarock-Spiel in der Hand. Tarock und Imperatori- resp. Trionfi-Spiele sind in dieser Zeit in Italien offensichtlich schon verbreitet. 1423 ist im italienischen Ferrara das Imperatori-Spiel nachgewiesen. Am 9. Oktober 1423 wurde ein Set der Imperatori-Spielkarten von Florenz nach Ferrara gebracht für Frau Marchesa (Markgräfin) Parisiana d‘Este. Preis der Karten: 7 Florin; Kosten für Transport: 6 Bologneser Soldi. Also gab es die Imperatori-Spielkarten in Norditalien schon einige Zeit vor diesem Jahr. Das Imperatori-Spiel (Kaiser-Spiel) in Italien ist der Vorläufer des deutschen „Kaiserns“ oder „Karnöffeln“. Überbringerin war die Kammerzofe Zoesi, Dienerin der Frau Marchesa. Die Gräfin Parisiana heiratete im Jahre 1418 im Alter von 14 Jahren den Grafen Niccolò III. Sie hat möglicherweise das Spielfieber vom Hofe des Carlo Malatesta in Rimini, wo sie vorher gelebt hatte, nach Ferrara mitgebracht. 1423 der Franziskanermönch Bernhardin von Siena predigt gegen das Kartenspiel. Dieselbe Quelle erwähnt ein Kartenset von 4 x 14 Karten. 1425 wird die Marchesa Parisiana d‘Este enthauptet. Für einige Zeit gibt es keine Nachrichten mehr über Trionfi-Spiele aus Ferrara. Parisiana hatte ein Liebesverhältnis mit ihrem Stiefsohn Ugo gehabt. Ihr Mann, Niccolò d‘Este, liess sie und Ugo, seinen Lieblingssohn aus erster Ehe, hinrichten. Niccolò selbst hatte dutzende von unehelichen Kindern „diesseits und jenseits des Po“, das heisst überall in seinem Lande verstreut. Aber für die „Oberen“ galten andere Wertkriterien. Macht hat Vorrang vor Tugend. Wer keine Macht hatte, der musste tugendhaft leben. 1418-1425 Der Herzog von Mailand, Filippo Maria Visconti (1392-1447), der als hässlich galt, lässt ein Kartenset vom Maler Michelino da Besozzo herstellen. Der Herzog bezahlte für dieses „ludus triumphorum“ (das Trumpf-Spiel, das Spiel der Triumphzüge) die ungeheure Summe von 15‘000 Dukaten. Das ist wohl teuerste Kartenset aller Zeiten. Heutiger Goldwert: 1,92 Millionen Euro. Damalige Kaufkraft: 5,75 Millionen Euro. Die Karten waren teils mit Blattgold überzogen. Das Set enthielt als zusätzliche „Farbe“ Trumpfkarten. Das Spiel enthielt möglicherweise 5 x 14 Karten, also 70 Karten insgesamt. Hier hat der Trumpf noch eine eigenständige „Farbe“. Bald aber wird der Trumpf als eigenständige Wirkfaktor und Akteur gesehen, der pro Spiel einer Farbe zugeordnet wird. Das ist ein zentraler Schwenker in den Vorstellungen: Der Trumpf als Macht-Funktor (genauer als Macht-Faktor) kann den Status (d.h. das feste Dasein) aushebeln. 1426 wird in Nördlingen (im schwäbischen Landkreis, Bayern) erstmals das Kaisern als „Karnüffeln“ erwähnt, das den Ratsherren einmal im Jahr erlaubt war. Karnöffeln ist das frühere Wort für Kaisern. Dazu ein Text aus dem Artikel von Kopp: „Es heisst dort, den Ratsherren sei bei ihrem jährlichen Festmahl u.a. erlaubt zu «karnüflen». Das war nicht selbstverständlich, wurde doch im selben Jahr dasselbst ein Spieler verhaftet, weil er «gekartet», also mit Karten gespielt hatte. Solches wurde gewöhnlichen Sterblichen in jener Stadt erst 1440 unter gewissen Bedingungen gestattet.“ In Balgau (südliches Elsass) wurde es 1448 erlaubt. ->Karnöffel-Spiel. Aus diesem Text ein Ausschnitt: „In Augsburg war das Karnöffelspiel ausdrücklich verboten, während andere Spiele erlaubt waren; es wird allerdings kein Grund genannt. Man fragt sich, ob schon damals der ketzerische Anstrich des Spiels der Anlaß war. In den verschiedenen Fastnachtspielen (1460, 1486) erkennen wir das Karnöffelspiel in seiner Rolle als populäres Gesellschaftsspiel, das im Haus auch von Frauen gespielt wird.“ 1428 wettert der Carmeliter-Mönch Thomas Connecte *7) in Belgien gegen Spiele (Würfel, Backgammon, Spielkarten, Kegel, Schach) und gegen luxuriöse Kleider und Turmfrisuren und liess die üblen Sachen auch verbrennen. Er kritisierte auch die Korruption der Bischöfe und der Kurie in Rom. Das bekam ihm nicht gut. Er wurde 1433/34 in Rom verbrannt. Er war ein Vorläufer der Reformation. 1435 Es sind Spielkarten erhalten (von 1435?) mit den vier Kaiser-Bannern: d‘Blass (Rose), dr‘Oberchaiser (Schiltä), dr‘Griän (Eichel), d‘Mugg (Schällä). 1443 - 1455 wird das Kaisern in Würzburg erwähnt unter dem Titel „ludus imperatoris“ = „Kaiserspiel“ 1450 In Zürcher Gerichtsakten ist das Kaisern erwähnt. Ein Spieler A hatte seinen Widerpart B verklagt, weil der Verteiler (B) während des Verteilens die Karten hinwarf, als A als Letzter mit der offenen Karte einen „keisser“ bekam. Das Keisser-Spiel muss also in diesem Jahr schon so sehr bekannt gewesen sein, dass jeder Richter den Fall kompetent beurteilen konnte. > 1450: Ab diesem Zeitpunkt revolutioniert die Buch-Druckkunst von Johannes Gutenberg (1400-1468) die Welt. Neue Ideen werden jedem leichter verfügbar. Lesen und Schreiben wird verbreitet. 1592 wird in Herzogtum Pfalz-Zweibrücken die erste Schulpflicht eingeführt. Die Produktion von kommentierten Bildern, Bildgeschichten, Spielkarten wird einfacher. 1487 stirbt Bruder Klaus 1492 Kolumbus entdeckt Amerika. Beginn des europäischen Kolonialismus. 1496 Eine Passage in einer Predigt von Johann Geiler von Kaysersberg (1496) belegt, dass das Kaiserspiel und Karnöffelspiel dasselbe Spiel sind. Johann von Kayserberg war in Schaffhausen geboren, wurde Theologe, Rektor von der Universität in Freiburg i. Br. und später Domprediger in Strassburg. Er predigte gegen den Hexenglauben und gegen das Kaisern. Im Kaiserspiel sei alle Ordnung verkehrt, unten sei oben und oben unten. 15. Jhd. im Rückblick: Der Einzelne und seine Erfahrungen stehen auf gegen „die Oberen“. Das kreative Spiel nimmt nun immer mehr einen Platz ein, was den Vertretern eines festen Arbeits-, Denk- und Sozialsystems natürlicherweise Bauchweh macht. List wird, wenigstens spielerisch, zu einem Teil der menschlichen Entfaltungs-Kultur. 1500 Seit diesem Zeitpunkt grosse Spielkartenproduktion in Lyon. 1503 Bern: «Gleichzeitig kam es im ersten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts zu einer Veränderung des Berner Spielangebots, neue Spiele verbreiteten sich. Der Stadtchronist Valerius Anshelm be- klagte 1503 das Aufkommen «diser Jahren nüwen Sitten, Wyssen und Brüchen», mit denen auch «Brättspil, Nöffel, Keiser, Kartenspil, Drynschlachen ... thüre würfelspiel» in Bern Einzug hielten. Verantwortlich für den Sittenzerfall macht er die «fremden Reisen». Tatsächlich dürften die Söldner in fremden Diensten das erstmals 1426 urkundlich erwähnte Karnöffel- oder Kaiserspiel in die Schweiz gebracht haben. Nicht weiter ausgeführt wird, welche neuen Brettspiele in Bern Verbreitung fanden.» 3) 1513 schreibt Macchiavelli sein Buch „Der Fürst“ (Il principe), wo er aufzeigt, wie Hinterlist in der Politik praktisch gesehen doch am meisten Erfolg hat. 1517 Luther schlägt seine 97 Thesen an die Wittenberger Kirchentür. 1519 Tod von Leonardo da Vinci, dem grossen Universalgenie 1519 Der Maler Jerg Ratgeb stellt auf dem Herrenberger Flügelalter (für die Stiftskirche in Herrenberg in Baden-Würtemberg, 30 Km östlich von Freiburg i. Br. die Auferstehung Christi dar, zusammen mit Landsknechten, die das Karnöffel-Spiel spielen. Sie kaisern (Trumpf-6 als Symbol für Papst; Karnöffel als „Hodenbruch“ = zuviel ungenutztes Sperma; Detail-Bild; / Dritt-Text; / bildliche Bedeutung des Flügelalters). 1528 werden in Nidwalden Kaiser-Spielkarten recyclet und in den Deckeln von Gerichtsakten als Füllmaterial gebraucht. Dieser Fund wird in Stans 2011 bei der Restauration der Gerichtsakten entdeckt. Warum die Innerschweiz - Obwalden, Nidwalden Luzern? Sie lag an einem wichtigen Handelsweg von Mailand über den Griespass, Grimsel, Brünig nach Luzern und weiter nach Deutschland. Ferner traten aus den armen Kantonen der Innerschweiz und der Berggebiete viele jungen Männer in fremde Kriegsdienste. Es galt, das Leben zu riskieren, damit man zu Hause überleben konnte. Während der Dienstzeit zu spielen und die Herrschafts-Ordnungen umzustossen - das gab echte Lebenslust und die Chancen, die Welt neu zu deuten. 1546 stirbt Michelangelo. Die Renaissance ist nicht mehr aufzuhalten. Die Aufklärung nimmt volle Fahrt auf. Der Mensch und die Menschlichkeit ins Zentrum! Und das Spiel gewinnt an Verbreitung. Sowie die Idee, dass, was oben ist, nicht unbedingt oben bleiben muss; die Botschaft des Kaiserspiels. 1559: Hans Sachs beschreibt in seinen Fasnachtsspielen zweimal das Carnöffeln:: das Carnöffeln, thet mich auch offt effen und löffeln”. Ein Fastnachtsspiel mit dem Titel ‚Das untrew Spiel‘ erwähnt das Carnöffeln auch und klagt, dass in einem (diesem?) Spiel, das „Untreue, Verschlagenheit“ heisst, der Schlauste alle anderen übertölpeln kann. (>Originaltext - >hohe Auflösung -- zu untrew s. Anmerkung *5) 1792 französische Revolution. Die Demokratisierung Europas beginnt. 20. Jhd. Zwei desaströse Weltkriege ruinieren Wohlstand und das Doppel-Monopol der humanistischen Ideale und der Dominanz von „Weltmächten“. 1968 Der Aufbruch des freien Individuums im Alltag. 2. Hälfte 19. Jhd: Sport, Spiel und Musik erobern die Welt (was im 14 & 15. Jhd. so schwungvoll begann). Konzerte und Openairs nehmen dominante Plätze ein. Das Ansehen der Kriege ist im radikalen Niedergang. Gewaltfreiheit kommt zum Zuge. 1992 Harro von Senger publiziert den ersten Band der berühmten 36 Strategeme *4) der Chinesen, die lange als Geheimnissen gehütet nun erstmals im Westen vorgestellt werden. Der Titel lautet: Strategeme. Lebens- und Überlebenslisten aus drei Jahrtausenden. 21. Jhd. Flow-Praktiken beginnen wichtiger und wesentlicher zu werden. Dazu gehören zuvorkommende Listigkeit (Vorderlist) und alle Formen der sanften Dynamik der Lebendigkeit. Sie ergänzen (und ersetzen) Systeme, Monopole und Dominanz. Flow-Praxis ist die positiv-setzende Form der dynamischen Gewaltlosigkeit. Sie ist mehr als Frieden, weil sie die Evolution der Lebensintensität und -präsenz aktiv voranbringt. Zuvorkommenheit erschafft die Kraft zur Ausrichtung auf den Urgrund der Lebendigkeit. *Anmerkungen > Film zu alten Spielkarten 1) Peter F. Kopp aus Solothurn: Die drei ältesten Innerschweizer Kartenspiele und ihre Regeln. Kultur im Kartenspiel. In: Der Geschichtsfreund: Mitteilungen des Historischen Vereins Zentralschweiz. Band 139 (1986) Seite 23-35 (S. 25) nicht vorhanden. Text entnommen aus: http://retro.seals.ch/digbib/view?pid=gfr-001:1986:139::365 2) Léon Schnyder, Spielkartenmacher, Kriens: Der «Karnöffel» sticht den «Papst» [Trumpf-6] und macht auch dem «Teufel» [der Stupf-7] den Garaus ...!“ Quelle: rontalerbrattig pdf 3) Claudia Engler: Librarium: Zeitschrift der Schweizerischen Bibliophilen-Gesellschaft = Revue de la Société Suisse des Bibliophiles, Band (Jahr): 50 (2007), Heft 1, Seite 7 4) Harro von Senger: Strategeme. Lebens- und Überlebenslisten aus drei Jahrtausenden. Scherz, Bern 1992 5) untrew = untreu heisst nicht nur: fehlende Treue, sondern „man kann ihm (ihr) nicht trauen“. Bedeutung deshalb: „ungetreu, untreu, ungläubig, treulos, verschlagen (Adj.), misstrauisch, verdächtig“ (>link). Siehe auch >Original-Text und >deutsche Übersetzung. 7) vgl. hierzu: Religiosus Ludens: das Spiel als kulturelles Phänomen in mittelalterlichen Klöstern und Orden. Hrsg. von Jörg Sonntag. De Gruyter, Berlin 2013, S. 126 Weitere Literatur Von Leyden, Rudolf: Karnöffel: Das Kartenspiel der Landsknechte. Seine Geschichte vom 15. Jahrhundert bis zur Gegenwart Sondereinband – 1978. von Rudolf von Leyden (Autor),‎ Detlef Hoffmann (Herausgeber) Enthalten in: Beiträge zur Geschichte Nidwaldens, Heft 37 (1978), S. 152-163 (Im Verlag Heimeran oder auf Amazon). Interessant als Horizont-Erweiterung: Von Leyden, Rudolf: Die Welt der indischen Spielkarten: Geschichte, Systematik und Herstellung. Mit einem Katalog der Sammlung des Museums für Völkerkunde. Broschiert. Wien / New Academic Press,1981 J.F.Bernhard: Das Karnüffeln, ein friesisches Kartenspiel. Der Alte, Deutsche Skatzeitung, Altenburg, Jg. 5, 1930, S. 22-24. vgl: Fremdangaben Herrmann von Liebenau: Das uralte und edele so genannte Karnöffel- oder Kaiserspiel, Luzern, 1841 > Interessante (Karten) Spiele, Bildungsspiele, … > Kartenspiele und Söldnerheere